Na, so macht das Forum doch wieder Spaß, oder?? Kleine Frotzeleien am Rande, die als Auflockerung verstanden werden und ein ergiebiger Meinungsaustausch. Klasse!

Vorneweg die Frotzeleien:
Liebe Carola, ich WEISS, daß du viel liest. Wenn dein schmales Hinterteil dies nicht anzeigt, dann liest du vielleicht im Liegen, auf dem Bauch?? Der wird davon schön flach. Habe ich auch schon probiert, aber bevor der Bauch flacher wurde, wurde der Nacken steif...

Lieber Dieter,
wir sind ja schon dabei, ein kynologisches Date abzumachen. Und dann wirst du feststellen, daß es um meinen Hintern keinen Glaubenskrieg geben kann!

So. Mein Problem ist offensichtlich, möglichst viel Inhalt in möglichst wenig Worte packen zu wollen und somit Verwirrung zu stiften. Wir laufen ja geradezu in schöner Eintracht auf die Ziellinie zu. Ich selbst versehe meine Vorträge für Hundevereine doch auch mit so Schlagzeilen wie „Wo kauft der Wolf den Stachelwürger?“ oder so ähnlich.
Der Hund ist ein Wolf. Da tut sich nichts. Ich interessiere mich deswegen so für Hunde, die nicht planmäßig versorgte Haushunde sind, weil sie - wie die Wölfe! - angepaßt sind. Mich interessiert das Verhaltensrepertoire angepaßter Hunde. Das Dilemma, in dem wir uns befinden ist - meiner Meinung nach - folgendes: wir holen uns ein gezüchtetes Tier. Es ist entstanden aus künstlicher Selektion, den Selektionsdruck hat der Mensch festgelegt: Betonung bestimmter körperlicher Merkmale, Betonung bestimmter Sequenzen des Jagdverhaltens, Betonung der gruppenverteidigenden Aggression, usw. Damit sind gezüchtete Hunde angepaßt an bestimmte Bedürfnisse des Menschen, büßen damit aber auch Anpassungsfähigkeit an die Umwelt ein.
Ein Beispiel:
Hunde einer Rasse, die gezielt über Generationen hinweg zum Schutz menschlicher Territorien selektiert worden sind, zeigen einen starken Schutztrieb. Nun verändert sich aber der Anspruch der Hundehalter; vermehrt werden Hunde dieser Rasse als Begleithunde gehalten. Hier erweist sich der starke, vormals erwünschte Schutztrieb als unpassend. Der Hund fällt unangenehm auf. Dem Halter wird dann erklärt, daß beim Wolf das Leittier in aller Regel entscheidet, ob verteidigt wird oder nicht. Verteidigt der Hund also „ohne zu fragen“, dann wird daraus durch den Vergleich mit einem hochangepaßten System ein Dominanzproblem gemacht; was es aber nur am Rande ist.
Und noch ein konkreteres Beispiel:
ein Mann besucht mit seinem Bayerischen Gebirgsschweißhund einen meiner Kurse. Der Hund trägt eine Oberländer Halsung (flaches Lederhalsband außen, innen gerade Metall-Nägel; sieht netter aus als der bekannte Stachelwürger, ist es aber nicht!). Ich sage erstmal garnichts und beobachte das Gespann. Der Schweißhund ist sehr interessiert an der neuen Umgebung und beschnuppert eingehend den Boden. Der Besitzer ruckt ständig mit der Leine und ruft dazu „Fuß, Fuß“! Ich bitte ihn, mir zu erklären, weshalb er ständig an der Leine ruckt, obwohl der Hund doch korrekt neben ihm läuft. Er sieht mich entrüstet an und meint, daß das ständige Schnüffeln am Boden zeigen würde, daß der Hund ein Dominanzproblem habe; schließlich würde er damit ja ihn, seinen Herrn und Meister, ignorieren. Tja,... Erst werden die Viecher für ganz bestimmte Zwecke gezüchtet, das Ergebnis dieser Selektion kann sich sehen lassen; paßt das Ergebnis nicht in den Kram, dann ist es ein Dominanzproblem. Ich finde diese Argumentation für Hund und Besitzer wenig hilfreich.

In den Hunde-Werkzeugkasten gehört auf jeden Fall ein großes Fach mit dominanten Verhaltensweisen. Darüber brauchen wir wirklich nicht zu diskutieren. Aber es ist wie mit allen Werkzeugen: man kann nicht alles mit jedem reparieren und durch falschen Gebrauch kann auch etwas kaputt gehen.

Wenn wir unsere Ridgebacks beobachten und Vergleiche zum Wolf suchen, ist euch denn dabei nie die Frage gekommen, wie denn die ridgetragenden Hunde der Khoi-Khoi gewesen sind? Sie haben außer dem Ridge sicherlich auch noch andere Stempel im Genom unserer Hunde hinterlassen; doch leider sind diese Hunde ausradiert worden bevor sie Gegenstand des Interesses werden konnten.
Was ist denn, wenn während der Domestikation das genetische Substrat für bestimmte Verhaltensweisen verloren gegangen ist!?Dann können wir diese bestimmten, ursprünglichen Verhaltensweisen nicht als Modell für den Umgang mit unseren hochgezüchteten Haushunden verwenden: der Hund kann garnicht entsprechend reagieren!
Das meine ich mit der Lücke zwischen Wolf und Haushunden.

Und zum Schluß noch ein „schräges“ Bild:
ein Mensch geht mit seinem Rassehund spazieren. Es ist ein Hund, dessen Äußeres dem Geschmack der Menschen angepaßt wurde; ein dünnes Fell, das zwar wunderschön glänzt und sich herrlich anfaßt, das aber den Regen nicht abhält. Der Bauch ist geradezu schütter behaart. Der Gesichtsausdruck wird von den knuffigen Hängeohren bestimmt, die zwar für Verletzungen geradezu prädestiniert sind und bei den kleinsten Schrammen heftig bluten, aber dafür sind sie einfach süß. Als Welpe ist er nicht der kräftigste und vitalste gewesen, aber der Zücher hat ihn liebvoll unter eine Wärmelampe gepackt und mit guter industrieller Hundemilch zugefüttert. Wie seine Geschwister hat er auch in den ersten Lebenstagen Immunoglobuline zur Unterstützung des Immunsystems bekommen. Er ist eigentlich auch ein ganz gesunder, kräftiger Hund geworden. Er verträgt zwar viele Futtersorten nicht und neigt auch zu nervösen Magenproblemen, aber da kann man die Ernährung ja anpassen. Nun ja, er hatte in der Jugendzeit auch Gelenkprobleme, aber die OP hat er wunderbar überstanden. Vielleicht ist er auch ein wenig „oversexed“, aber muß so ein kerniger Rüde wirklich eine Hündin in der Standhitze von einer scheinträchtigen Hündin unterscheiden können? Und wenn die Hündin ihn abschnappt, das muß er sich doch nicht gefallen lassen, oder?? Der Mensch ist jedenfalls glücklich und zufrieden mit seinem schönen Hund. Er macht ihn von der Leine und der Hund darf laufen. Der Hund entdeckt einen Hasen und spurtet los. Natürlich ärgert sich der Mensch. So ein Mist!! Bei den WÖLFEN darf nur gejagt werden, wenn der Alpha es erlaubt!! - Bei den Wölfen wäre er nie zum Jagen gekommen!
Vielleicht vergleichen wir Verhaltensweisen unserer Hunde so gerne mit dem der Wölfe, um uns selbst zu betrügen: wir wollen nicht wahrhaben, wie weit wir uns mit unserer Hundezucht von natürlichen Bedingungen entfernt haben.

Nochmals: dominante Verhaltensweisen gehören zur Hund-Hund und Hund-Mensch-Beziehung dazu. Zwischen Hunden werden sie aber viel flexibler praktiziert als es die „Regeln“ sind, die wir Menschen daraus ableiten.
Und für viele unangepaßte Verhaltensweisen unserer Haushunde ist Dominanz nicht die Ursache, das Jagen gehört in weiten Bereichen dazu. Dominanz ist ein wichtiges Hilfsmittel, unangepaßtes Verhalten kontrollierbar zu machen. Aber der Hund, der hetzen geht, ist nicht zwangsläufig ein dominanter Hund.

Liebe Grüße
Ute BB

Ich sehe gerade, wie entsetzlich lang das Geschreibsel geworden ist! Liest das denn überhaupt noch jemand??