Jetzt wirds länger...

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Hattet ihr denn keine Möglichkeiten ihn näher bei einigen Besuchen kennenzulernen? Das erstaunt mich von den Vorbesitzern her.
Vorab: erstaunen tuts mich nicht, weil wenn ich einen Hund so gequält, misshandelt und wenig artgerecht gehalten hätte, wäre ich auch nicht gerne mit Fragen konfrontiert worden.
Er war 67cm groß, wog 27 kg. Man sah jede Rippe, er hatte Hüfthöcker wie eine Kuh, Liegeschwielen an Ellbogen, Sprung-, Vorderfußwurzel- und Zehengelenken.

Aber genauer:
Ich habe eine Münchner Telefonnummer aufgrund eines Inserates angerufen und mit einem netten Herrn telefoniert. Wir haben einen Besuchstermin ausgemacht (in Unterföhring), wo ich den Hund kennenlernen sollte.
Als ich dort ankam, stand dort ein Auto mit slowakischem Kennzeichen, einigen Welpen drin und meinem Großen. Klar, erst mal ein Schock. Soll ich wieder fahren? Hund fährt 8 Std zurück in seine Heimat. Oder gibt man dem ganzen eine Chance? Unterstützt man hier etwas, was man nicht unterstützen sollte?
Wir sind dann doch mit ihm gassi gegangen, haben ihn unterwegs ziemlich "begrapscht" und getestet. Die Vorbesitzer waren nicht selbst erschienen, gaben aber an, den Hund aus Zeitgründen abzugeben. Der Mann sei Diplomat, reise viel, der Sohn hätte jetzt zu studieren angefangen und die Mutter hätte den Hund von Anfang an nicht wollen. Wie so oft. Der "Transporteur", angeblich ein Freund der Familie, hat mir viel erzählt. Sie wären "so Neureiche", die sich halt alles kaufen können und der Hund sei unbequem geworden. War alles nachvollziehbar. Da er oft seine Welpen nach Deutschland fährt, habe er angeboten, den Hund einfach mal mitzunehmen. Ich soll mal Fotos schicken, wie es ihm geht. Der Herr in Unterföhring leitet diese dann an die Vorbesitzer weiter.
Wir haben den Hund eingepackt und mitgenommen. Er trug ein Kettenhalsband und eine alte 1-m-Lederleine. Mehr hatte er nicht dabei.

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Berichte doch mal genauer und danke für Deine Geschichte
Es werden jetzt vermutlich tausend Leute denken, war ja klar, dass das nicht einfach wird. Mir auch. Ich hab damals immer die Sendungen mit der Tier-Nanny angekuckt und ging davon aus, dass man jeden Hund wieder hinkriegt. Mit Liebe und Konsequenz.
Dieser Hund hat ein halbes Jahr nicht gewedelt, hat weder mit Menschen noch mit Hunden gespielt. Stand überall nur dabei, hatte diesen Blick in die Ferne.
Wenn ihr meinen Rüden heute irgendwo treffen würdet, ihr seht es ihm nicht an. Seine Liegeschwielen sind fast weg (nur noch die Ellbogen), er glänzt, ist fit und durchtrainiert. Er ist an seiner Umwelt interessiert, Sylvesterböller stören ihn nicht, er läuft ohne Leine am Rad und uns überholt ein 40-Tonner. Er geht mit mir durch Messegelände mit vielen Menschen, hat als Rettungshund tausend streichelnde Kinderhände auf Vorführungen "ertragen", spielt ausgelassen mit anderen Hunden. Er holt Bälle, zerrt an der Beißwurst. Aber das war Arbeit. Jeden Tag, jede Stunde. Er war immer mit dabei und wir haben versucht, jede Situation positiv zu belegen und ihn niemals fern zu halten.

Er braucht Führung, Schutz und Einfühlungsvermögen. Immer und überall. Mich wunderts mittlerweile nicht mehr, dass meine Beiträge zu anderen Themen häufig nicht verstanden werden. Was mein Hund braucht, ist vermutlich doch extrem und bei anderen Hunden nicht nötig.
Man sieht es ihm nicht an: 36kg bei 67cm, das ist ein beeindruckender Hund. Aber innen drin ist er ein Mäuschen, das zittert und dessen Seele unglaublich geschunden wurde. Er vertraut nichts und niemandem - außer mir.
Andere wären stolz darauf, aber lasst euch sagen: Es kann ganz schön schwer sein. Ohne mich bricht seine Welt zusammen. Ich muss immer 200% da sein. Was passiert, wenn ich mal länger krank bin? Wenn ich mal eine Fortbildung hätte? Wenn ich einen Unfall habe?
Ohne absolute Führung, Ruhe und Sicherheit bricht dieser Hund zusammen. Er regelt die Dinge dann leider nach seinen Möglichkeiten (er geht nach vorne).

Ich muss alles planen, mich darauf verlassen können, dass meine Mitmenschen den Hund in Ruhe lassen. Ihn nicht umarmen oder kuscheln wollen. Ihn nicht anfassen, wenn er die Augen zu hat. Nicht an seine Pfoten kommen, wenn er liegt. Nicht streicheln, wenn er schläft. Ihm nichts befehlen, sondern ihn bitten. Auf seine Körpersprache und Signale achten, ihn nicht bedrängen. Nicht die Hand mit der Leine heben, keine Peitsch-Bewegungen mit den Armen. Nicht über den Hund steigen. ... Hört sich einfach an. Scheint aber für "normale" Menschen nicht nachvollziehbar.

Bitte lasst davon ab, mir zu erzählen, wie dumm/naiv ich war. Das weiß ich heute selber. Bitte schimpft auch nicht mit mir über die "Beschaffung". Ich würde es heute nicht mehr machen. Es war so, wie es war und ist nicht mehr zu ändern. Und wir haben einen supertollen Hund, der uns zwar oft sehr fordert. Aber einen besseren Lehrer als ihn gibt es nicht