AW: Vorsicht, bissiger Hund!
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SaBine
... Ich fände es toll, wenn Du und andere, die selbst einen "auffällig gewordenen" Hund aufgenommen haben, aus der praktischen Erfahrung heraus, und aus den Geschichten, die Ihr begleitet habt, etwas zur Prognose beitragen könntet - wie kann sich nach einem oder mehreren solcher Beissvorfälle die Sache entwickeln, wenn Mensch bereit ist, mit seinem (Not)Hund zu arbeiten?
Helfen Dir auch Erfahrungen mit anderen Rassen? (Vorsicht, Roman! Wen es nicht interessiert, muß mal überspringen. :D)
Camilla, 4 Jahre, Volpino-Mix:
Unser erster Pflegehund war gleich zum Abgewöhnen. Wurde angekündigt als "lieb und verträglich mit allem und jedem". Man sah schon auf dem ersten Bild, daß dem nicht so war. Aber wir waren ja noch total unerfahren und haben uns auf den Tierschutzverein verlassen. Sie war vermutlich in ihrem Leben immer mit ihrem Dickkopf durchgekommen und wußte auch mit den Zähnen nachzuhelfen, wenn es nicht in ihrem Sinn lief. :mad:
Bis aufs Blut gebissen hat sie mich, als ich ihr unterwegs im Reflex ein großes Fruchtgummi abnehmen wollte. Wäre zu vermeiden gewesen, hab halt nicht nachgedacht.
Sie hat auch in die Füße gezwackt, wenn es zum Spazierengehen losging. Zwar aus Freude, aber so fest, daß wir keine Sandalen mehr getragen haben.
Das Tauschen haben wir sehr langsam aufgebaut, alles war ihrs und sie konnte blitzschnell zuhacken.
Fremde gingen gar nicht, bei Besuch mußten wir sie aus Sicherheitsgründen an der Leine in der Wohnung führen.
Dem Kater hat sie aus Eifersucht den Schwanz geschlitzt. (Sie wollte auf meinen Schoß, hat ihn vertrieben und im Wegdrehen nochmal nachgehakt. Das ging so schnell, daß ich nicht reagieren konnte. :()
Wir hatten sie sechs Wochen lang, die wir nach den ersten Vorkomnissen sehr vorausschauend verbracht haben. Man sah an ihrem Blick, daß wenn man jetzt weitermacht, man sich eine fängt. Lange vorgewarnt hat die nicht. Dann mußte Plan B her. Den mußte man immer im Kopf haben.
Die Vermittlung habe ich damals nicht sehr beeinflussen können. Ich hatte zwar ein Mitspracherecht und mir wäre es lieber gewesen, sie nicht an eine Familie mit Kindern zu vermitteln. Das habe ich auch so gesagt.
Sie ging dann an eine Familie mit zwei Kindern (5 und 7 Jahre). Zugegeben, die Frau war die erste Fremde, die Camilla anfassen konnte. Ich habe nach zwei Wochen Bilder bekommen, auf denen die Kinder ihr ein Schweineohr abnahmen, obwohl ich deutlich gegen solche Aktionen geraten hatte. Monate später wollten sie sie zurückgeben, weil sie ein Kind massiv ins Gesicht gebissen hatte. Es hatte sie im Auto zurückgezogen, als sie zu Frauchen nach vorne wollte. :(
Ich schäme mich, daß ich damals nicht strikter dagegen war. Die Vermittlung ist eigentlich nur wegen meiner Unerfahrenheit und Unsicherheit zustande gekommen. :(
(Mit dem Verein habe ich dann nicht mehr so lange zusammengearbeitet, weil auch andere Dinge nicht so gut paßten.)
Kara, 2 Jahre, Maremmano-Labrador-Mix:
Eine ehemalige Kettenhündin. Kam aus der Vermittlung zurück, weil sie angeblich ein Besuchskind am Arm gepackt und vom Stuhl gezogen haben sollte.
Sie hat bei uns im Haus nie Auffälligkeiten gezeigt, wobei ich natürlich auch höllisch aufmerksam war. Sie hat aber nie auch nur komisch geschaut.
Unterwegs und in typischen Herdenschutzsituationen hat sie fremde Menschen verbellt und wäre auch auf sie losgegangen. Inwieweit sie verletzt hätte, kann ich nicht sagen. Dazu haben wir es nie kommen lassen.
Ich habe sie viel hinter mir geführt, mich zwischen sie und die Passanten gebracht und immer darauf geachtet, daß ich zuerst etwas Neues gesehen habe. Sie war eher wenig dankbar für die Führung und hat mir auch sonst in der Erziehung immer erstmal den Stinkefinger gezeigt. Ich war aber dickköpfiger. :D
Dusty, 1,5 Jahre, Münsterländer Mix:
Kam wegen Hyperaktivität aus der Vermittlung zurück, weil er den Kindern der Familie rücksichtslos die Brote aus der Hand riß und ihnen im Spiel die Hosen zerfetzte. Er war hochintelligent und einfach nur sehr unterfordert. Ist immer schlecht, wenn der Hund schlauer als die Besitzer sind. :rolleyes:
Er war bei uns nie auffällig, mußte nur aus seinen eigenen Spielregeln geholt und umgelenkt werden. Er brauchte sehr viel Bewegung und Kopfbeschäftigung, dann war er einfach nur toll. :)
Timmi, 5 Jahre, Epagneul Picardie Bleu-Mix:
Kam nach 5 Tagen aus der Vermittlung zurück, weil er unverträglich mit anderen Hunden und seinen neuen Besitzer in den Arm gebissen haben sollte. Er kam zu meiner Freundin, die ihn schon auf der Fahrt kurz kennengelernt hatte und die Aussagen nicht verstand.
War bei uns nie auffällig, weder mit Menschen noch mit Hunden. Er war unsicher und ging dabei rückwärts. Einmal hat er mir im Spiel weh getan. Ich habe ihn stark hochgeheizt und mit ihm gerangelt, worauf er mir in den Arm faßte. Bei meinem Aufschrei ließ er sofort los. Es hat blaue Flecken gegeben, aber ich bekomme die eh sehr schnell. Auch wieder: Selbst schuld, so arg darf man einen Hund nicht aufdrehen.
Beim Ohrenputzen habe ich mir mal einen Schnapper gefangen. Ich mußte kurz festhalten und die Hündin hatte Angst. Blaue Flecken. Blutige Wunden an den Fingern während eines Transports. Selbst schuld, wenn man keine langen Leckerli mitnimmt. Die Hündin war einfach nur sehr hungrig und wollte schnell sein. :rolleyes:
Allgemein gesagt, würde ich einen solchen Hund sehr, sehr vorausschauend und aufmerksam behandeln. Ich würde immer vorher überlegen, was an Reaktionen kommen kann und wie ich die Unerwünschten vermeide. (Vorsicht ist besser als Nachsicht)
Gut beobachten und schon kleinste Anspannungen bemerken. Strategien entwickeln, wie ich etwas trotzdem erreiche, ohne einzuengen oder Druck zu machen. Eile und Hektik vermeiden, denn oft geschieht etwas in solchen Situationen.
Mehr fällt mir grad nicht ein. Die meisten Hunde hatten zwar ihre Macken, aber verletzt wurden wir in über 5 Jahren Tierschutz äußerst selten. :)
Gruß, Marion
AW: Vorsicht, bissiger Hund!
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wuppi109
In Post 6 wurden RR Rasseeigenschaften beschrieben die die Vorfälle begünstigen sollen.
Gruß Andreas
Oh, das bin ich :blink:.
Rasseeigenschaften begünstigen natürlich keine Beißunfälle, hört sich irgendwie unglücklich an.
Mir ging es darum das ein RR mit unter aus der "Hystorie" herraus recht selbstständig entscheidet und eher wenig zurück weicht sondern notfalls die Angelegenheit klärt.
Desweiteren werden RR (so mein Eindruck) nicht ausreichend bewegt und der Wohnraum ist auch nicht immer optimal (ich bin der Meinung das viele RR ein Leben in zu engem Raum nicht mögen. RR sind auch durchaus Stressempfindlich, vor allem im Bereich der vielen Reize im Alltag.
Wie immer nicht alle, nicht überall aber eben durchaus zu bedenken.
LG
Thomas
AW: Vorsicht, bissiger Hund!
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SaBine
Nun frage ich mich natürlich, wo die Ursachen liegen.
Ich glaube, ein Aspekt wurde noch nicht genannt. Der ist zwar per se nicht rassespezifisch und auch nicht sauber von bereits genannten zu trennen, aber ich möchte ihn trotzdem anführen und mit "Size DOES matter!" umschreiben.
RR-Interessenten möchten einen großem, kraftvollen, eleganten (...) Hund. Schön. Dadurch fällt der ... Deutsche Pinscher (z.B.) aus dem Raster. Es muss ein RR sein.
Dieser Hund zeigt dann irgendwann ein vielleicht nicht so erwünschtes Verhalten. Und je nach Veranlagung tritt der Halter diesem weniger erwünschten Verhalten so oder so oder eben gar nicht entgegen. Ich behaupte, es SPIELT dabei eine Rolle, ob das vierbeinige Ende der Leine, lass sagen, ein Sheltie ist oder ein RR (wahlweise Dobermann, Weimi etc.).
Man stößt bei einem großen, kräftigen Hund einfach eher an physische UND psychische Grenzen (im Grenzen setzen, umlenken etc.) als bei einem kleine(re)n, weniger kräftigen, weniger massigen. Ein Teckel oder auch ein Kleiner Münsterländer, der "blank zieht" löst einfach weniger Unbehagen aus als ein RR. Dementsprechend kann Otto- bzw. Otitlie-Normal-Halter beim kleinen Hund auch (selbst-)sicherer und weniger von Unsicherheit gehemmt reagieren als der/die Halter(in) eines RR. (Vergleiche "Ich mach ihn los! Kann ihn eh nicht halten" Würde man von einem Zwergpudelhalter nicht hören, oder?)
Ich habe das mal live erlebt (kleines vs. großes Pferd) und gestehe: Ja, es MACHT einen Unterschied!:rolleyes:
My 2 cent
Tina
AW: Vorsicht, bissiger Hund!
Seh' ich genauso, Tina!
Das erklaert auch, warum so viele Mini-Hunde ueberhaupt nicht erzogen werden und auch in Hundeschulen selten auftauchen. Die Verhaltensmuster, die diese Hunde zeigen, sind zwar identisch, aber das Potenzial, ernsthaft Gefahr dazustellen, ist wesentlich kleiner als bei einem grossen Hund.
Aber mit 'nem Zwergpudel macht man ja keinen Eindruck :blink:
AW: Vorsicht, bissiger Hund!
Nicht nur die Einstellung der Menschen gegenüber Hunden hat sich geändert (übrigens nicht überall, in Italien fand ich es sehr entspannt), sondern auch die generelle Einstellung zu eigenem "Leid". War es einem früher noch peinlich, sich in die Hose zu machen weil man nen Hund gesehen hat, ruft heute jeder nach Ordnungsamt und Bundeswehr sobald ihn ein Hund anbellt. Denunziantentum und Haßpredigten gegen Radfahrer, Hundehalter, Jäger, Kletterer usw sind zum emanzipatorischen Befreiungsakt veredelt worden, und Selbstmitleid oder schnödes Eigeninteresse wird zur Verteidigung von Menschenrechten gegen fremde Bedrohung stilisiert.
Und die Ämter sind schnell geworden - hier in der Gemeinde ist man ratzfatz beim zehnfachen Hundesteuersatz, unabhängig von der Rasse, wenn irgendetwas vorgefallen ist. Gefühlte Bedrohung reicht angeblich.