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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RR-Rüde hat sich stark verändert



ticarica
10.08.2013, 15:58
Unsere Nachbarn haben einen 7 Jahre alten RR-Rüden und einen Westi. Ein weiterer Hund ist vor kurzem, mit 13 Jahren, auf die andere Seite gewechselt. Es war ein belg. Schäferhundmix.


Die drei Hunde kannten unsere Hündin von Welpe auf und sie kamen bisher sehr gut miteinander aus. Seit dem Tod des dritten ist nun der
RR-Rüde wie ausgewechselt und knurrt massiv unsere Hündin an. Auch zeigt er ein komplett verändertes Verhalten ausserhalb seines Geländes. Er war vorher der gelassenste Hund, dem ich je begegnet bin. Jetzt dreht er komplett durch, wenn sich mal ein Moped oder Quad nähert, obwohl er dies sein Leben lang kennt. Darüber hinaus kommt er mir sehr unsicher vor. Er trägt oftmals die Rute stark eingeklemmt, was vorher auch nicht der Fall war.


Meine Frage ist nun, kennt das einer von Euch, dass sich ein Hund durch den Tod eines lebenslangen Weggefährten stark verändert? Oder meint Ihr, dass das Eine mit dem Anderen nichts zu tun hat, wie unsere Nachbarn das sehen.


Ich bin sehr gespannt auf Eure Meinungen.

Schöne Grüsse
Conny

chilli09
10.08.2013, 16:31
Ich vermute ganz ganz stark eine gesundheitliche Ursache. Alles andere macht nicht so wirklich Sinn....

Liebe Grüße und baldige Genesung/ und/ oder Rehabilitation

Wünscht Heidi

Asani Hekima
10.08.2013, 16:34
ich war letztes jahr an einem seminar bei dem es um rudelharmonie ging und da war eines der themen auch wie stark sich ein rudel verändern kann wenn eines der mitglieder plötzlich fehlt. jedes tier eines rudels hat seinen bestimmten platz und seine aufgabe im rudel. bei einem grösseren rudel bleibt diese einmal geklärte und eingenommene stellung in der regel so lange bestehen, bis entweder eines der mitlgieder seiner zugedachten stellung nicht mehr gerecht werden kann (wegen alter oder krankheit usw.) oder eines der mitlgieder verstirbt. so muss wieder eine komplett neue aufteilung der stellungen gesucht und gefunden werden.

das wäre eine erklärung warum sich dieser hund komplett anders verhält als er das vorher tat. das hat nix mit dem sterben und einer evtl. trauer als solches zu tun sondern mit der neuen stellung im rudel.

so die dozentin. übrigens ist ein tier ihres rudels damals auch verstorben, sie war die leithündin und das hat ihr rudel für einige zeit komplett auf den kopf gestellt und es gab auch zwischen den hunden auseinandersetztungen die es vorher da nie gab.

seni81371
10.08.2013, 16:35
Koennte es sein, dass er der "Chef"-Rolle im Rudel nicht gewachsen ist?
Einfach überfordert, vielleicht sogar weil er krank ist? Oder ist das zu menschlich gedacht?

Hm..vielleicht nicht gleich "Chef"- Rolle aber seiner neuen Rolle im Rudel...
(Nachdem ich Dany's Post gelesen hab, schieb ich das noch nach)

Lenchen
11.08.2013, 07:45
Guten Morgen,

auch wir haben etwas ähnliches erlebt.

Also Abeni mit sieben Monaten aus einer ungarischen Tötung zu mir kam, fand sie in meiner Bonny eine 12-jährige sehr sichere und souveräne Hündin vor (zumindest was Hundekontakte/Sozialisation etc anging :blink:)

Knapp zwei Monate später starb Bonny ganz, ganz plötzlich. Es schien als ob nicht nur mir dies den Boden unter den Füssen weggezogen hat sondern auch Abeni. Ihre ganzen Problemen brachen mit voller Wucht durch und sie ist mir quasi um die Ohren geflogen.

Nun lag das zum Teil auch an meinem Ausnahmezustand, aber heute vermute ich zusätzlich, dass Abenis Unsicherheiten durchs Bonnys Souveränität nicht zu Tage traten. Sie wurden quasi gefiltert. Bonny konnte Abeni innerartlich soviel Sicherheit im Umgang mit anderen Hunden, der neuen Umwelt etc. vermitteln.

Gleichzeitig ist so ein Erlebnis auch für manchen Hund nur sehr schwer zu verkraften, so dass auch Abenis Stresspegel extrem anstieg. Da sie eh nicht die stressresistente ist und noch so manches anderes Päcklein zu tragen hat, war das ein weiterer Punkt.

Ich bin sicher, dass Abenis Baustellen so oder so zum Tragen gekommen wären, da sie zum Teil auch gesundheitlich begründet sind, aber ich glaube auch, dass wenn Bonny Abeni noch weiter zur Seite gestanden hat, diese Heftigkeit der Veränderungen in dem relativ kurzen Zeitrahmen nicht aufgetreten wäre.

Auch die anderen Familienhunde, die sich fast tagtäglich sahen aber nicht im selben Haushalt lebten, waren kurzzeitig durcheinander. Von einer Wesensveränderung kann man hierbei aber nicht sprechen.

Bonny hatte innerhalb des Hundeverbandes das Zepter in der Hand, aber auf eine so schöne Art. Niemals gab es "Schlägereien" oder ein grosses Gezeter innerhalb der vier Hunde. Sie war die Ruhe selbst und ein Fels in der Brandung.

So war das damals bei uns.

berki
11.08.2013, 08:53
Hallo,

das ist eine Auswirkung, die mehr oder weniger ausgeprägt immer dann erscheint, wenn ein Hund in eine Rolle gedrängt wird, der er nicht gewachsen ist. Das erlebt man bei Einzelhunden, die durch mangelnde Sicherheit des Halters anfangen, vermeintliche "Gefahren" auf ihre Weise zu regeln, das erlebt man bei zusammenlebenden Hunden, in denen einem die Rudelführung entgegen seiner Befähigung aufgedrängt worden ist.
Ganz extrem (weil quasi über Nacht)ist es eben in oben geschilderter Situation, in der ein Hund unmerklich durch das Leittier geführt worden ist und diese Leitung dann wegfällt. Da er vorher eine Aufgabe im Rudel erfüllt hat, die ihn nicht überfordert hat, ist er äußerlich völlig souverän und unbeschwert durchs Hundeleben gegangen. In den für ihn "zu großen Schuhen" seines Vorgängers, überfällt ihn meist ein Zwang alles zu regeln, leider auch Dinge, die gar keiner Regelung bedürfen.
Wenn man ein Hunderudel beobachtet, das von einem souveränen Leittier geführt wird, dann wird dort unbeschwert herumgetobt, vom Leittier merkt man meistens gar nichts. Ganz anders sieht das aus, wenn ein Hund die Rudelführung übernimmt, der damit überfordert ist. Hier wird jegliches ausgelassene Toben, bei dem es etwas lauter wird, konsequent unterbunden. Der Pseudorudelführer mischt sich in jede Kontaktaufnahme eines Rudelmitglieds mit einem nicht zum Rudel gehörenden Tier ein, kurzum: er ist eine richtige Spaßbremse (hat selbst allerdings auch ausschließlich Stress bei der Sache).
Ich fürchte, am Verhalten des RR-Rüden wird sich ohne Hilfe von außen (Halter übernimmt konsequent die Rudelführung oder ein neuer Leithund kommt dazu-letzteres nicht ohne Risiko) nicht viel ändern.
Knurrt er eure Hündin auch an, wenn der Westi und der Halter nicht in der Nähe sind? Oder knurrt er nur, wenn eure Hündin Kontakt zum Westi aufnimmt? Vielleicht verteidigt er die Grundstücksgrenze, um eine Gefahr, die nur in seinem überforderten Kopf existiert, abzuwenden?
Wir haben das gleiche erlebt nach dem Tod unserer Ainka, einer im positiven Sinne extrem dominanten (also gelassenen und souveränen) RR-Hündin. Kijani ist im Alter von 8 Monaten zu uns gekommen. Er kannte keinerlei Befehle und so gut wie keine Umwelteinflüsse (unterschiedliche Bodenbeläge, Treppen, laute Geräusche, tote Gegenstände, die sich doch durch Wind oder was auch immer bewegten usw. usw. lösten ein Meideverhalten aus).
Dank sicherer Leitung durch uns und ganz wichtig auch durch Ainka ist aus ihm im Verlauf eines Jahres ein äußerlich souveräner Hund geworden. Ständig hörte man: den haben sie aber toll hingekriegt, der ruht ja in sich! Stimmte aber leider nicht: er ruhte dank Ainka. Mit ihrem Tod kamen spontan einige seiner Meideverhalten zurück: glatte Bodenbeläge, der nächste Rollator wurde angebellt etc.. Da wir selbst die notwendige Sicherheit ausstrahlen und ihn nicht in eine Rolle gedrängt haben, die ihn überfordert hätte, ist aus ihm innerhalb einiger Monate wieder ein für den Betrachter supersouveräner Hund geworden.
Momentan kippelt die Sache aber ein wenig: wir haben vor knapp 6 Wochen eine 4 monatige Hündin dazugenommen.
Für diese hat er jetzt draußen die Verantwortung übernommen und ist damit zumindest grenzwertig belastet, teils auch überfordert. Er lässt sie mit manchen Hunden spielen, mit anderen, die ihm nicht gefallen, ohne ersichtlichen Grund nicht. In solchen Augenblicken sind wir dann ganz konkret gefragt, um ein Eskalieren der Situation zu vermeiden. Das komplett entspannte Spazierengehen hat sich somit erst mal erledigt, aber das kriegen wir wieder hin.
Um es kurz zu machen: am Verhalten eures Nachbarhundes wird sich nichts verändern, so lange ihm die für ihn selbst auferlegte zu schwere Last nicht wieder abgenommen wird.

LG Thomas ( der schon wieder ins Schwafeln geraten ist:blink:)

HeikeCR
11.08.2013, 15:44
Ich liebe dein "Schwafeln", Thomas! Weil es es eine wunderbare Beschreibung der natuerlichen Neuordnung eines Rudels ist. Super formuliert und sehr eingaengig und ich wuerde jedes Wort so unterschreiben.
Danke!
LG
Heike

ticarica
11.08.2013, 19:19
Danke für Eure Antworten und danke für das sehr informative "Geschwafel", Thomas!
Zu Deiner Frage: Der RR knurrt, wenn sich unsere Hündin dem Westie mit Spielaufforderung nähert und wenn sie näher als 2m an ihn selbst heran kommt. Von daher sind Eure Erklärungen alle sehr schlüssig für mich. Ich hoffe sehr, dass der arme Kerl bald wieder zur Ruhe kommt. Er ist so ein tolles Tier.
LG
Conny