Es ist eine schwere Entscheidung - und der richtige Zeitpunkt unglaublich persönlichkeits- und vor allem auch situationsabhängig.

Im Laufe der Jahre haben mich einige meiner vierbeinigen Lebensbegleiter auch wieder verlassen. Ich war bei jedem erleichtert, bei dem nicht ICH über den Zeitpunkt entscheiden musste, sondern Hund oder Katze sich ohne großes vorheriges Leiden selber auf den Weg gemacht haben... Erleichtert trifft es nicht wirklich, weil ja trotzdem die Trauer da war, aber es war einfach leichter, die Entscheidung nicht treffen zu müssen. Man trägt die Verantwortung nicht. Man hadert nicht mit "richtig" oder "falsch" herum...

Bei denjenigen, bei denen ich entscheiden musste, wann das Leiden beendet wird, hatte ich im Nachhinein nie das Gefühl, den falschen Zeitpunkt gewählt zu haben. Denn genaugenommen hatte ich den gar nicht selber gewählt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade dann, wenn man über das "Erlösen" nachdenken muss, der Dialog mit dem geliebten Tier besonders innig wird - das gehört zur Liebe dazu. Und wenn man die Augen nicht verschliesst, dann sieht man es wirklich am Blick und am Verhalten.

Liebe ist etwas, dass uns beizeiten viel abverlangt. Liebe ist nicht nur ein warmes Gefühl im Herzen. Liebe ist auch, eigenen emotionalen Kram zu Gunsten des anderen zurückzustellen. Liebe ist Festhalten - und Liebe ist Loslassen.

Inwiefern Festhalten oder Loslassen angesagt sind, bestimmt aber auch die Situation mit. Bzw. die Ursache dessen, warum man überhaupt über das Einschläfern nachdenkt. Befindet man sich mit einem Tier auf einer Talfahrt, von der es vernünftig betrachtet nie wieder in relevantem und halbwegs dauerhaftem Maß aufwärts gehen kann? Oder ist man am Punkt eines Krankheitsverlaufes, von dem aus realistisch gesehen (!) auch noch einmal eine gravierende länger andauernde Verbesserung auftreten kann? Macht man mit hundert medizinischen Kapriolen das Leben wirklich noch mal längerfristig gut? Oder betreibt man nur kurzfristige Makulatur?

Ich war mit dem herzkranken Buki letzten Sommer bei der ersten großen Hitzewelle an einem Punkt, an dem ER zum ersten Mal nicht mehr wollte und der Blick leer wurde. Eigentlich wäre da auch für mich Schluß gewesen (und das hätten wahrscheinlich auch einige andere Menschen geraten). Aber ich war da so richtig trotzig. Ich wusste ja genau, dass das jetzt nur wetterabhängig ist und es ihm bei anderem Wetter auch wieder vergleichsweise gut geht, seine Lebensqualität noch prima und sein Lebenswille da ist und er vor allem auch keine Schmerzen hat. Nein, von einer total vergänglichen Hochdruckwetterlage wollte ich so eine Entscheidung nicht abhängig machen und hab für ihn und dann - nach Überwinden des Tiefpunktes - auch mit ihm gekämpft. Nun ist es Herbst, er ist gesundheitlich stabil, er hat nach wie vor Spaß am Leben und reißt zwar keine ganzen Wälder mehr aus, aber den ein oder anderen Baum durchaus - mit echter Freude. Gestern nachmittag war er zum Beispiel im totalen Mauselöcherrausch und ist mit Spaßfaktor 10 wie ein Bekloppter über die Wiese gehopst. Den leeren Blick hab ich seit den extrem heißen Tagen nie wieder gesehen.

In dem Fall war es richtig, den Buben festzuhalten. Weil ich wusste, dass die beeinflussende Kraft nur das vergängliche Wetter ist. Ich weiß aber auch, dass irgendwann der Tag kommt, an dem es nicht mehr "einfach nur" das Wetter ist, weshalb er nicht mehr leben mag. Und dann darf er auch gehen. Ich kann manchmal gar nicht in Worte packen, was der Bub für mich bedeutet und wie sehr ich ihn liebe. Aber eben, weil ich ihn liebe, mache ich die Augen NICHT zu. Ich kämpfe für ihn - wenn es Sinn macht. Wenn es Sinn für IHN macht. Wenn es keinen Sinn mehr macht, dann werde ich loslassen. Emotional hab ich ganz fürchterlich Angst vor dem Loslassen, aber ich hab keine Angst davor, die Entscheidung zu treffen. Ich treffe sie ja nicht alleine, sondern mit Buki zusammen. Und ich weiß, dass wir das dann schon richtig machen.

Leni, ich kann dir überhaupt nicht sagen, was du machen sollst. Ich kann dir nur raten, die Augen ganz weit aufzumachen, die Situation mit Hilfe deiner TÄ und gegebenenfalls auch noch einer weiteren TA-Meinung wirklich realistisch in Bezug auf längerfristige echte Besserung (! - nicht den Erhalt eines schlechten Zustandes!) einzuschätzen und vor allem ganz ehrlich und ohne "Ja, aber..." mit Merlin zu kommunizieren.

Liebe Grüße und alles Gute,

Susanne