Kieler Nachrichten vom 27.06.2003:

Wie Dackel zur Bestien werden - Peinlichkeit bei Gesetzentwurf

Kiel - Panne im Entwurf des Gefahrhunde-Gesetzes: Das orangefarbene
Halsband, das Innenminister Klaus Buß (SPD) vierbeinigen Beißern umschnallen
will, ist schon vergeben. Und zwar an wohlerzogene Vierbeiner, die aufs Wort
gehorchen und ihnen jederzeit zu Diensten sind - an Jagdhunde im Einsatz.
Michaela Hammann kann sich das Drama ausmalen: Vor ihren Rauhhaarteckeln,
die die passionierte Jägerin aus Grebin regelmäßig auch außerhalb der Jagd
mit ins Revier nimmt, fliehen die Jogger im Schweinsgalopp oder sie
attackieren die Tiere mit Pfefferspray. Eltern, die den kleinen Vierbeinern
mit den orangefarbenen Warnhalsbändern begegnen, nehmen ihre Kinder panisch
auf den Arm, "denn unsere Hunde sind ja bald Kampfdackel". Als sie die
Nachricht vom Erkennungszeichen Halsband für "Gefahrhunde" las, dachte sie
spontan: "Das kann wohl nicht ernst gemeint sein."

Denn bleibt es bei der im Entwurf enthaltenen Kennzeichnungsvorschrift für
alle als gefährlich eingestuften Hunde, "sind Verwechslungen programmiert",
sagt auch Volker Behrens, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes. "Die
könnten fatal enden - für unsere Hunde, die dann für Bestien ohne Maulkorb
und Leine gehalten werden." In der Jägerei sei es seit Jahren üblich, Hunde
nur mit leuchtend orangefarbenen oder gelben Reflexhalsbändern in den
"Arbeitseinsatz" zu schicken. So legt nicht nur der Verband auf Kreis-,
Landes- und Bundesebene Mitgliedern diese Ausstattung des Vierbeiners ans
Herz, wenn er im Revier frei läuft. Auch die Berufsgenossenschaft rät dazu.
Selbst in der Jagdabteilung des Kieler Umweltministeriums heißt es laut
Sprecher Michael Rittmeier: "Es gibt keine Vorschrift, dass Jagdhunde die
Bänder tragen. Es wird aber empfohlen."

"Aus zwei Gründen", erläutert Behrens. "Erstens ist der Hund geschützt, weil
er bei größeren Jagden von jedem erkannt und nicht etwa mit Wild verwechselt
wird. Zweitens ist ersichtlich, dass dieses Tier speziell ausgebildet und im
Einsatz ist. Deshalb darf es sich ohne Leine im Wald bewegen." Das ist
Hunden sonst nicht erlaubt, denn sie könnten dem Wild nachstellen - und ein
wildernder Hund ist ein Gejagter. Den Einwand, während der Jagd seien keine
Spaziergänger in der Nähe, lässt der LJV nicht gelten. Behrens: "Wenn Wild
angefahren wurde, aber noch flüchten konnte, muss der Jäger das kranke Tier
suchen. Das geht nur mit Hund, der dann Kilometer allein läuft."

Im Innenministerium scheint man die Peinlichkeit zu wittern. So antwortete
Sprecher Thomas Giebeler gestern diplomatisch: "Um Nachbesserungen in einen
Entwurf einzubringen, gibt es die Anhörung. Dort wird das Halsband sicher
zur Sprache kommen." Weshalb das Umweltministerium als oberste Jagdbehörde,
die den Entwurf vor Veröffentlichung sah, nicht einhakte, erklärt Rittmeier
damit, "dass wohl die Tierschutzabteilung damit betraut war".

Dass "Gefahrhunde" überhaupt am Halsband (das ein krimineller Halter dem
Tier ohnehin nicht anlegt) erkennbar sein sollen, geht auf Druck der Grünen
zurück, die Buß' gescheiterte Gefahrhunde-Verordnung attackiert hatten.
Deren Abgeordnete Irene Fröhlich hatte mit dem Plädoyer für das Band einen
Vorschlag der Berliner GAL übernommen. "Dass Jagdhunde gekennzeichnet
werden, wusste ich nicht", räumte sie auf Nachfrage ein. "Darüber wird man
nochmals reden müssen. Ich will nur, dass gefährliche Hunde erkennbar und
Kontrollen leichter sind." Von Cornelia Müller

nordClick/kn vom 27.06.2003 01:00