Hi Andrea,
ein paar Fragen und Anmerkungen vorab, auch kritische...
Wieso ist es möglich, dass deine Hündin, obwohl du von ihrer Eigenheit weisst, auf Leute zugeht und diese bedroht? Zumindest wird das von den meisten Menschen als Bedrohung gesehen, und unsere RRs sind ja nu grösser als ein Dackel ;-)) Und als Entschuldigung kann dein Hinweis, dass du zu weit weg bist, um einwirken zu können, niemals gelten!!
Was für ein Bild hinterlässt du da?
Grundsätzliches dazu: ich bin der Meinung, dass JEDER Hundehalter die Pflicht allen anderen Hundehaltern gegenüber hat, so verantwortungsbewusst mit seinem Hund und dem Rest der Welt umzugehen, dass dem nächsten Hundehalter keine Nachteile entstehen.
Dazu gehört auch die Verpflichtung, dass die Paarung Mensch/Hund den Rest der Menschheit nicht bedroht oder verunsichert, also einen kontrollierten Eindruck hinterlässt. Damit an dieser Stelle nicht Leinenzwangschilder aufgestellt werden...
Und an sich ist das alles auch ganz einfach: immer sehr aufmerksam mit den Hunden gehen! konzentriert sein! Auf die Signale des Hundes achten!
Ich gehe immer mit zwei Hunden (RR Rüde und Deutsche Dogge Hündin) und habe häufig noch einen Jack Russel dabei...
Und kein Hund ist, ausser zu Übungszwecken, an der Leine. Dass einer meiner Hunde ungewollt Leute verbellt, ist für mich undenkbar, und ich könnte im Gegenzug eine ärgerliche bis aggressive Reaktion seitens der Verbellten sehr gut verstehen. Desweiteren haben wir ein regelmässige grosse Hundegruppe (bis 10 Hunde) incl. Herdenschutzhunde, mit denen wir bewusst an Seen gehen, die gut besucht sind. Was meinst du, wie lange wir da gehen könnten, wenn alle ihre Hunde so agieren lassen würden wie du?
Und damit habe ich dir den Ansatz schon gegeben: Achte auf die Signale deiner Hündin. Sie wird, bevor sie auf die Leute zugeht und diese verbellt, dir irgendein Signal geben. Das kann z.B. plötzliches Verharren , Lefzen lecken, Rutenspiel, Körperhaltung usw. sein.
Und deine Aufgabe ist es, dieses Signal zu erkennen, aufzunehmen und deinem Hund zu zeigen, dass du das auch aufgenommen hast.
Und je nachdem, wie du reagiert, wird deine Hündin reagieren.
Als Beispiele:
Mein RR zeigt IMMER an, was er mir mitteilen möchte:
Jagdbares Wild vermutete: halbgesenkter Kopf, Rute waagerecht, Ohren aufgestellt, gespannte Körperhaltung.
Jagdbares Wild gefunden: Kopf hoch, Rute hoch, Ohren aufgestellt, SEHR aufmerksamer Blick in die Jagdrichtung, Hinterbeine angewinkelt, Vorderläufe gerade gestreckt.
Keiner meiner Hunde geht um eine nicht von mir einsehbare Ecke.
Grund: bei Begegnungen mit anderen Hunden, die unvermutet um die Ecke kommen, wird dieses als Bedrohung gesehen, und entsprechend reagieren beide Hunde.
Also lass ich meine Hunde bis zur Ecke gehen, schaue mir ihre Sprache an, und gebe dann die Ecke frei, oder bei entsprechendem Signal meiner Hunde halt nicht und rufe sie zu mir und warte ab bzw. gehe als Erster um diese Ecke.
Ich sehe an der Reaktion meiner Hunde sehr deutlich, ob, und meist sogar was, da als nächstes um die Ecke biegt.
Anderer Rüde: Die RR "ich bin hier Platzhirsch" Haltung.
Hündin: Freundliche, aufmerksame Präsentation
Menschen: Nicht sooo interessant
Fahrrad mit Hund: ein bis zwei Schritte zurück, gespannt beobachtend
(hängt mit der Fluchtgeschwindigkeit zusammen, die mit dem Rad erreicht wird).
Und JEDESMAL vergewissern sich meine Hunde durch einen Blick, ob ich die Reaktion aufgenommen habe, und was für eine Reaktion von mir kommt. Egal, wie weit weg sie sind. Du darst dabei nicht vergessen, dass Hunde ein sehr weites Gesichtfeld haben, also durchaus deutlich sehen können, was im Winkel zu 80 Grad zu ihrem Kopf los ist.
So kann es sein, dass der Hund dich nicht direkt anschaut, sonder quasi in die Mitte zwischen den beiden Punkten, damit er das Interessante oder Bedrohliche nicht aus dem Blick verliert...
Und wenn mein Hund selber entscheidet: war ich wohl gerade mal nicht aufmerksam, also allermeistens nicht Schuld des Hundes...
Ein RR ist eben selbstständiger als ein Schäferhund...
Wenn ich meine Hunde, ausnahmsweise, an die Leine nehme, so bedeutet dieses, dass ich das absolute Kommando und die absolute Verantwortung übernommen habe, also Entspannung für meine Hunde.
Ich habe dann die Aufgabe, Konflikten und Ärger aus dem Weg zu gehen oder dieses zu lösen. Dasselbe gilt für "bei Fuss gehen", oder "bei Fuss und Sitz" bzw " ... und Platz". So entspannen sich meine Hunde bei Begegnungen mit nicht kontrollierten Paarungen, wobei der Hund des Gegenübers die Führung übernommen hat - wie bei dir...
Allerdings würde ich dann das Problem mit dem Verbellen durch deinen Hund für mein Rudel lösen müssen. Angepasst, je nachdem ob freundlich, neugierig, angriffslustig, agressiv usw.
Grundsätzlich ist jedoch für diesen Mechanismus notwendig, dass du von deiner Hündi als Rudel-Alpha anerkannt bist!
Ist dieses der Fall?
Dann kannst du in relativ kurzer Zeit ohne Theater diese Macke abstellen.
Auch einfach zu kontrollieren: wenn du der Chef des Rudels bist, will deine Hündin dir gefallen. D.h. sie wird, alles ohne besondere Aufforderung, regelmässigen Augenkontakt suchen, sie wird immer im Freilauf in einer gewissen Entfernung verharren, um dich aufholen zu lassen (ca. 10-20 m) und im Stressfall wird sie nicht selber entscheiden, sondern so lange als möglich auf deine Entscheidung / Reaktion warten.
Die wichtige Frage: kennst du die Signale deiner Hündin?
Zeigt sie diese!! Oder entscheidet sie sofort selber?
Bei 2 x ja und 1 x nein ;-)):::::
Dann würde ich dir folgende Vorgehensweise empfehlen:
1. Hund muss an der Leine "sauber" gehen, das ist zwingend notwendig!!! (Also, Leine hängt durch!!)
2. Du gehst Gassi an Stellen, wo deine Hündin dauernd mit dieser Situation konfrontiert wird. Hündin angeleint.
3. Du schaust, ob deine Hündin sich per Augenkontakt deiner Reaktion versichert!! Bevor sie die Leute verbellt!!
Auch wenn sie das meist im Freilauf macht: erst an der Leine die Situation provozieren!!
4. Wenn sie schaut, den Augenkontakt quittieren!! Sehr wichtig!!
z.B. mit heller Stimme:"jaja" oder "fein" oder was auch immer dein Hund als motivierendes Lob erkennt.
Zur Entspannung des Hundes kannst du direkt einmal, solange dein Hund dich noch anschaut, als Beschwichtigung einmal herzhaft gähnen
;-)) Sieht ******** aus, bringt ne Menge an Entspannung für deine Hündin. Deine Hündin interpretiert IMMER deine Körperhaltung und Reaktion, also deine Unsicherheiten, deine Angst, deine Sicherheit in anderen Situationen und reagiert darauf!!
5. Dann im Bogen um die entgegenkommenden Leute herumgehen, dabei darauf achten, dass du niemals frontal zu diesen stehst, sondern dich immer leicht abwendest (90 Grad Winkel oder mehr), Die anderen niemals direkt anschauen, sondern in der Mitte zwischen deinem Hund und den Menschen durchschauen. Den Leute nicht hinterherschauen!!
Anfänglich darf dieser Bogen durchaus übertrieben gross sein...Irgendwann kannst du dann gerade daran vorbeigehen. Aber immer erst einmal an der Leine. Denn Leine bedeutet: Chef (anderes Ende der Leine) hat übernommen, Entspannung für die Hündin. Das muss konsequent so sein, ansonsten verwirrt man den Hund!!
6. Wenn das einwandfrei funktioniert, dann im Freilauf das Nachfragen abchecken... Schaut deine Hündin, siehst du die Signale usw.?
Noch ohne Provokation durch die nicht gewünsche Situation!!
Evtl. etwas das "Steh" und "komm" üben, immer mit Motivationen!!
7. Wenn das gut geht: im Freilauf die Situation provozieren...
Sobald dir Menschen entgegenkommen, die Signale deines Hundes innerhalb 1 Sekunde aufnehmen und verabeiten!! Du hast eh insgesamt nur so um die 3 Sekunden, damit Lob oder Anderes durch den Hund mit der gerade gewesenen Situation verknüpft wird.
Wenn dein Hund dich fragt, was er tun soll: "komm", also den Hund heranrufen und in den eigenen Kreis bringen, in dem du die Kontrolle hast. Irgendwann wirst du das Signal "Weiter" üben, dann kann man dann auch einsetzen...
Dabei wieder den anderen nicht frontal begegnen gähnen usw.... Wie oben. Wenn sie nicht fragt und Ansätze zeigt, zu den Leuten hin zu wollen: energische "Steh", dann unter Beachtung der Regel zu dem Hund gehen und damit in den inneren Kreis bringen, am besten zwischen Hund und Leute stellen, mit dem Rücken oder zumindest seitwärts abgewendet zu den Leuten.
So musst du dich eben an das gewünsche Verhalten heranarbeiten, wobei übertriebenes Loben und Kuscheln bei dem gewünschen Verhalten absolutes Muss ist!!! Also: Hund alles richtig gemacht, Siituation geklärt: sofort!! loben und kuscheln, vielleicht ein Leckerli oä...
Ganz vergessen: alle Ansätze gehen über das motivieren des Hundes, darüber, dass er mir Gefallen will usw.
Keine Gewalt, kein mit der Leine Schlagen, kein schlagartiges Verletzen des Hundes durch Leinenruck usw. Die Leine ist zwar Kommunikationsmittel, aber ein sanftes!!!!!
Allerdings muss ich dann auch sehr selbstkritisch die sich daraus ergebenden Aufgaben übernehmen, d.h. Konzentration, Clearing usw.
Bis du rangtechnisch gleichgestellt oder sogar untergeordnet, so wird keines dieser Dinge zutreffen, die das Nachfragen, Gefallenwollen usw. durch den Hund betreffen... Und dann hast du ein Problem der besonderen Art in diesem Alter. Deine Hündin trifft die Entscheidung selber, und beim RR typisch, meinst sogar eine clevere...Nicht so gut für dich, denn irgendwann eskaliert diese Situation, und meine Frage lautet dann immer, wenn ich solche Paarungen treffe: "Wer geht mit wem spazieren?" Die Tierheime haben genug dieser Hunde, die dann als unbequem und arbeitsintensiv abgegeben werden, die nichts dafür können, und mir stehen jedesmal die Tränen in den Augen, wenn ich dort mal bin...Dann bleibt dir nicht anderes übrig, als mit viele Geduld und Verstand die gewünsche Situation herzustellen. Evtl. mit fremder Hilfe, allerdings solltest du dabei darauf achten, dass du jemanden findest, der schon erfolgreich mit RR gearbeite hat!! SChferhundlehrer schaffe da gar nix, die machen mehr kapputt, und das ist ein bitterer Erfahrungswert... Das dauert, mit Gewalt geht da nix, aber der Erfolg lohnt!!
Dann man tau, und viel Spass!!
CU
Frank
Zur Info:
Ich habe einen Quad R (rüpeliger Rhodesian Ridgeback Rüde = Quad R)bekommen, der als Modehund in eine Familie mit Kindern gekommen ist. Diese haben ihn mit 9 Monaten abgegeben, weil er die Kinder immer ansprang...Dort muss er mit dunklen und/oder engen Räumen, Schlägen (und offensichtlich nicht wenigen) und kurzen Leinen, die an der Wand festgezogen waren, Erfahrungen gemacht haben. Danach wurde er irgendwie an einen Nutztierhändler weitergegeben, dessen Tierliebe (ironisch!) grenzübergreifend bekannt ist. Dort wurde er aus Mitleid von der dritten Partei mitgenommen, die ihn als Wachhund für ein unbewachtes Gelände genommen haben.
Zusammen mit einem anderen Hund... Sachlich war die Sache in Ordnung, die Hundis konnten Raus, hatten es warm, und 3 mal täglich Auslauf mit Menschen, aber für einen RR unterste Kante. 2 jährig habe ich dann den verwirrten RR mitten in seiner Angstphase bekommen, und aneinander sind wir so lange gewachsen, bis wir tatsächlich ein Paar wurden. Max war kurz davor, ein nicht mehr kontrollierbarer Beisser zu werden...Das hat über ein Jahr gedauert...ein Jahr voller Geduld, Frustration, Recherche über das Vorleben, Ratsuchen, Rückschläge usw..
PS: um Max das anspringen abzugewöhnen, habe ich 2 Tage gebraucht...
Ohne Theater usw. Für das wieder angewöhnen auf Kommando allerdings länger ;-))


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