Zitat von
Berk82
Dem muss ich widersprechen... Meistens ist diese Informationsflut schädlicher als nützenswert. Jeder gibt andere Tipps und Hinweise und am Ende ist man total verunsichert, da man von 10 Leuten 10 verschiedene Meinungen bekommen hat. Auch sind Hundeschulen im Welpenalter oft gar nicht so gut. Die Sozialisierung ist meist schon in den ersten 10 Wochen abgeschlossen und wird dann nur durch den Kontakt zu anderen Hunden weiter ausgeprägt. Dabei reicht aber auch das "Beschnuppern" mit anderen Hunden die man auf der Straße trifft und auch das regelmäßige freie Spielen mit 1-2 anderen Hunden. Ich sehe keinen Vorteil darin, wenn 20 Welpen auf einem Fleck in nem riesen Wollkneul wilde Sau spielen. Das machen sie bereits mit ihren Brüdern und Schwestern nach der Geburt und dort erfolgt die Sozialisierung am stärksten.
Wenn man die einzelnen Verhaltensweisen eines RR, die zu 99% immer gleich sind kennt (durch RR-Fachliteratur) und dies mit einigen allgemeinen Hundeerziehungsstilen, sowie natürlich gaaaaaaaaaanz viel Tierliebe verbindet, dann ist jeder dafür geeignet einen RR zu erziehen. Wie schon ein Vorredner sagte, sind Anfänger die diese Anforderungen mitbringen meist besser geeignet als jemand der 25 Jahre Rottweiler im Zwinger hatte und dann als Hundeerfahren gilt.
Ich würde folgende Anforderungen der RR-Erziehung voraussetzen:
Verständnis für das Wesen…
Ein RR ist ein extrem anhänglicher Hund, man sagt ihm nach, dass er im Kopf ein Schoß-Kuschelhund ist, aber seine Größe vergisst. Dies äußert sich bei uns, sowie auch einigen Bekannten dahingehend, dass er sich öfter mal eine Kuscheleinheit abholt. Z.B. wenn wir auf dem Stuhl sitzen, dann kommt unsere Hündin an und springt mit den Vorderpfoten auf den Schoß, legt sich mit dem Kopf ab und macht die Augen zu. Oft versucht sie sogar mit den Hinterpfoten auch mit hochzusteigen, was aufgrund ihrer Größe meist nicht funktioniert. Sitzt man auf dem Sofa oder auf einer Bank, dann dauert es keine 2 Minuten und unsere Hündin legt sich auf engsten Raum mit dazu. Da kann der Platz noch so klein sein, sie muss sich mit dazu zwängen.
Auch muss sie ÜBERALL dabei sein... Ist man in der Küche beim Kochen, im Bad beim Zähneputzen, beim Duschen, im Garten oder egal wo man sich befindet, sie befindet sich immer in unmittelbarer Nähe und lässt nichts ununtersucht. Dies wird sich evtl. im Alter ein wenig ändern.
Dessen muss man sich auf jeden Fall bewusst sein, man muss sehr viel akzeptieren können wenn man einen RR hat. Da muss man es nun mal ertragen, dass der Hund mit aufs Sofa kommt und evtl. auch mal nervig sein kann durch die Anhänglichkeit, dass er öfter seine Streicheleinheiten braucht und auch mal auf den Schoß springt. Mit der nötigen, erforderlichen Liebe zum Tier ist dies aber kein Problem.
Weiter geht es mit der Sturheit eines RR...
Ein RR ist ein extrem intelligenter und selbständiger Hund, der sich nur schwer und wenn dann nur unter Protest etwas sagen lässt. Befehle wie Sitz und Platz lernt er schnell zu verstehen, führt diese aber nur aus, wenn er es für nötig hält oder wenn er merkt er muss es jetzt AUF JEDEN FALL machen. Schnelle Sitz-Platz-Sitz-Platz-Kommandos wie es manch andere Hunde machen sind beim RR unmöglich, nach dem ersten Durchgang sieht er es als unnötig an und macht es nicht mehr. Da kommt es auch vor, dass er vor lauter Sturheit wegschaut und die Befehle ignoriert. Ein RR ist auch schnell beleidigt wenn ihm was verboten wird. Wenn wir ihr z.B. (weil wir Besuch haben etc.) verbieten aufs Sofa zu steigen, dann legt sie sich bockig in ihr Körbchen und guckt uns stundenlang nicht mehr an.
Und nun zu den Befehlen...
Ausnahmen bestätigen da zwar die Regel, aber meiner Erfahrung nach (auch mit anderen RR´s) ist es eine typische Eigenschaft, die man auch in diversen Büchern lesen kann, dass ein RR nicht aufs erste Wort/Kommando hört und man alles zwei- oder dreimal sagen muss. Beim ersten Mal wird sie aufmerksam (Bin ich gemeint?), beim zweiten Mal guckt sie (Soll ich das jetzt wirklich machen?) und beim dritten Mal führt sie den Befehl dann aus. (Scheinbar soll ich es wirklich machen, wenns Herrchen dreimal sagt...). Dieses Verhalten ist auch ganz logisch zu erklären... RR wurden in Süd-Afrika zur Löwenjagd verwendet, dabei haben sie aber nicht mit Löwen gekämpft, sondern sie als Jagdhund nur gestellt und solange festgehalten bis der Jäger kam und die Löwen erschoss. Während diesem Festhalten haben sie die Löwen mit Kreislaufen eingekreist. Der oder die Löwen haben dabei immer wieder Ausbruchs- oder Angriffsversuche unternommen, auf welche der RR natürlich mit Ausweichen reagieren musste. Wie also die RR beim Löwenstellen reagieren, mussten sie ganz alleine entscheiden. Ein Mensch wäre mit der Befehlserteilung (Ausweichen, Pass auf usw.) viel zu langsam und hätte vielen RR bei der Jagd das Leben gekostet, hätten sie immer auf Befehle gewartet. Deshalb sind die RR so selbständig und selbstdenkend geworden, was ihnen bis heute tief in den Genen steckt.
Erziehung...
Meiner Meinung nach ist es ein Irrglaube und ein absoluter Fehler, wenn man versucht seinen RR nur mit Liebe zu erziehen. Wie erwähnt haben sie einen absolut starken Charakter und ordnen sich besonders im ersten Jahr nur wenig oder schwer unter. Sie versuchen immer wieder ihre Rudel-Mitglieder unterzubuttern um in der Rudel-Rangordnung einen Rang aufzusteigen. Diesem absolut natürlichen Verhalten kann man nicht nur mit Liebe entgegentreten, sondern konsequent. So lange bis der Hund seinen Platz im Rudel akzeptiert. Damit meine ich keine Schläge oder Prügel!!!!!!!!! Ich meine artgerechte Erziehungsmethoden, wie sie auch in der freien Natur von der Hundemutter angewendet werden. Schnauzgriff (bei der Mutterhündin gibt’s nen Knipser in die Schnute), am Genick packen (auch dies macht die Hundemutter in Form von ins Genick zwicken wenn die Jungen unartig sind) oder was sich auch bei uns sehr bewährt hat, ziehen an der Haut zwischen Hüfte und Bauch (dieses Dreieck). Natürlich darf sowas nicht übertrieben werden und nur in besonders schweren Fällen (wie z.B. Angriff auf ein Familienmitglied, Zerstörung etc.) angewandt werden. Der Hund versteht keine Worte, sondern nur diese Sprache (Bestrafen und Loben). Aber selbst hier gibt es gewaltige Unterschiede, welche abhängig vom Charakter des Hundes sind. Unsere Hündin ist z.B. extrem Dominant, wir haben noch nie nen Rüden getroffen, der sich ihr nicht sofort untergeordnet hat. Selbst andere Hündinnen machen dies hin und wieder. Deshalb forderte uns unsere Hündin öfters heraus, wo wir öfters konsequent reagieren mussten, wie es z.B. bei anderen RR der Fall ist. Hätten wir da nicht konsequent reagiert hätte der Hund gemacht was er will und hätte sich auch zu einer Gefahr für Mensch und Kind entwickeln können. Um es gleich vorweg zu nehmen. Nein unsere Hündin hat nicht aus Ängstlichkeit heraus ihren Rang akzeptiert, sondern weil wir ihr es so vorgegeben und sie dahingelenkt haben. Sie ist nach wie vor das absolute Gegenteil von "ängstlich" und zutraulicher und liebesbedürftiger wie kein zweiter Hund. Haben mal jemanden getroffen, der in der kompletten Welpenzeit nur 1-2x mit seinem Hund schimpfen musste. Das ist eben der krasse Gegensatz, deshalb muss die Erziehung auch immer individuell, einfühlsam und ausgeglichen erfolgen. Einen Hund, der schon sehr ängstlich und ungefestigt ist, darf ich auf keinen Fall übermäßig Strafen, da er sonst das Vertrauen verliert. Da muss man dann eben anders und von Hund zu Hund individuell drauf reagieren. (Nichtbeachtung, Abwenden, 1min aus dem Zimmer sperren und Tür zumachen etc.) Extrem viel Liebe wenn der Hund artig ist und konsequentes Vorgehen wenn er unartig ist, aber dem Charakter des Hundes angepasst!
Wesen...
Der RR ist allgemein als "Spätentwickler" bekannt. Vieles lernt er einfach viel später wie andere Hunde. Krass gesagt ist der RR 12-18 Monate Welpe und ist dann von einen Tag auf den Anderen erwachsen. Oft liest man auch von der Zerstörungslust des RR, welche aber meiner Erfahrung nach auch nicht ausgeprägter ist als bei anderen jungen Hunden. Da hab ich von jungen Labradors oder Retriver schon weitaus schlimmeres gehört wie "nur" ein zerstörter Schuh oder Handy. Man muss nur alles Wichtige außer Reichweite des Welpen/Junghundes bringen. Schuhe in Schuhschrank sperren, Toilettentür zumachen, damit die Toilettenpapier-Rolle nicht dran glauben muss, Essen nicht am Tisch stehen lassen usw. usf.
Nur wer diese Tierliebe, dieses Einfühlvermögen und Verständnis mitbringt kann auch erfolgreich einen RR, sowie auch jeden anderen Hund erziehen. Dabei ist es egal, ob es der erste, zweite oder zehnte Hund ist. ;-)