Hallo Ute,

wieder mal ein hervorragendes Posting mit sehr interessanten Denkansätzen. Einen Punkt möchte ich mal herausgreifen.

:5. Bilden verwilderte Haushunde unter ähnlichen Bedingungen wieder wolfige (hübscher Ausdruck!) Rudelstrukturen? Oder verläuft die Anpassung anders? Das ist der Grund, weshalb ich mich so für andere Hunde außer Haushunden interessiere.

Kann Evolution rückwärts verlaufen? Gibt es solche Beispiele im Tierreich (müsstest Du ja wissen, oder?)? Oder fragst Du Dich, ob verwilderte Haushunde ihre ursprünglichen genetischen Anlagen wieder rauskramen und lediglich andere (menschenfreie) Lernvoraussetzungen wieder zu wölfischen Rudelstrukturen führen?
Der Haushund unterscheidet sich vom Wolf ja nun in beidem. Er hat genetische Veränderungen vollzogen und unterliegt einer anderen idividuellen Anpassung durch ein verändertes Lernumfeld.
Letzteres ließe sich beeinflussen, indem man ein verwildertes Hunderudel in einer menschenfreien Umgebung belässt. Aber was ist mit der genetischen Komponente? Interessant wäre es, zu beobachten, ob sich hier über Generationen Veränderungen feststellen lassen würden, die zum Ursprung Wolf zurückführen.
Mir fällt da der Dingo ein. Kennst Du wissenschaftliche Literatur dazu, die sich auf solche Beobachtungen bezieht? Würde mich brennend interessieren.
Mir ist neulich ein sehr interessanter Bericht untergekommen, bei dem es um Katzen ging (o.k., das gehört nun gar nicht mehr hier hin, aber trotzdem). In Gegenden, in denen wilde Nachfahren der Falbkatze noch ursprünglich vorkommen, verpaaren sich diese mit verwilderten Exemplaren der Hauskatze. Diese Tiere stehen nicht unter dem Einfluss des Menschen, ernähren sich auch völlig selbständig. Trotzdem scheint sich nun herauszukristallisieren, dass sich bei den Nachfahren dieser Verpaarungen ein bestimmter Teil des genetischen Materials der Hauskatzen stabilisiert. Die Rückentwicklung zum Vorfahren scheint trotz der hohen Zahl an Verpaarungen mit noch reinen Wildtieren an einem bestimmten Punkt zu stoppen, weil wohl ein Teil des genetischen Hauskatzenmaterials auch in völlig natürlicher Umgebung Vorteile bietet (was ein Satz, versteht man überhaupt, was ich meine?). Der Ahne wird also quasi von seinen Nachfahren ausgerottet.
Es ging dabei übrigens um Veränderungen, die sich auch auf das Sozialverhalten beziehen.

Ließe sich diese Beobachtung auch auf verwilderte Hunde übertragen, wäre meine Annahme, dass selbst dann, wenn es unter verwilderten Hunderudeln zu einem direkten genetischen Einfluss von Seiten des Wolfes käme, eine totale! Angleichung an wölfisches Verhalten nicht mehr stattfinden würde.
(Gibt es eigentlich freilebende Wolf-Hund-Hybriden?) Und ohne diese genetische "Wildspritze" noch unwahrscheinlicher.

:Vielleicht wird beim heute gezüchteten Haushund der angeborene Rahmen für das Sozialverhalten immer kleiner, während die Potenz der individuellen Anpassung durch Lernvorgänge größer wird?

Das ist eine sehr interessante Theorie. Sie würde meine Annahme sogar untermauern, da eine hohe Potenz zu individueller Anpassung durch Lernen eben auch in natürlicher Umgebung (hier definiert als unabhängig vom Menschen) ein höchst erfolgreiches Konzept darstellt. Siehe höherentwickelte Lebewesen, wie z.B. Affen (insb. Primaten).
Hier müssten wiederum verwilderte Hunderudel mit genetisch vergleichbarem Ausgangsmaterial, die aber in unterschiedlichen Gegenden leben, miteinander verglichen werden. Ließen sich dort eindeutige kulturelle Unterschiede auch noch nach Generationen feststellen, wäre Deine Theorie wohl zutreffend.

Was meinst Du, sollten wir mal Forschungsgelder erbetteln und uns in die kanarischen Gebirge schlagen? ;-)))

Gruß
Conny (mit HWS-Syndrom, seit ich so viel auf dem Bauch liege, grins)