Zitat Zitat von Jajosel Beitrag anzeigen
Ich habe in diesem Faden den aktuell so modischen, viel gebrauchten Begriff "Sozialkompetenz" gelesen.

Ist "Sozialkompetenz" denn wirklich eine Kategorie in der Hundewelt?
Ich denke, dass "Sozialkompetenz" ihren Platz durchaus auch in der Hundewelt hat. Hunde unterlaufen ja ab Wurfdatum auch einem Sozialisierungsprozess - und sind irgendwann kompetent. Oder auch nicht. Völlig unfachmännisch und nur aus dem Bauch heraus wird dieser Prozess für mich in seinem Ablauf von drei verschiedenen Dingen gesteuert, die an einer bereits vorgegebenen genetischen Charakter-/Wesensdisposition ansetzen und diese sozusagen feintunen. Die drei Dinge sind das eigene Verhalten, die Reaktion des Gegenübers auf eben dieses Verhalten bzw. die unmittelbaren Konsequenzen und die Steuerung von aussen durch Dritte. Da unterscheidet sich Junghund für mich nicht groß vom Menschenkind.

Das Schwierige für uns als Dritte (egal, ob Eltern oder Hundehalter) ist es, zu erkennen und zu entscheiden, wann wir besser eingreifen/steuern und wann nicht. Ich empfinde das auch nach 2 RR- und nach 2 Kinder-Heranwachszeiten einfach als schwierig und hab den Löffel, auf dem die Weisheit bequem feilgeboten wird, immer noch nicht kredenzt bekommen...

Um bei den Hunden zu bleiben: Bei Rose bin ich das Thema der Sozialkompetenz von Babybeinen an sehr, sehr bewusst angegangen. Mir war wichtig, dass sie ihre eigenen Erfahrungen macht und erlebt, was auf das eigene Verhalten für Konsequenzen kommen können. Dabei war mir aber auch wichtig, dass sie nicht verwirrende Psychokrisen eines sozial komplett inkompetenten Hundes abkriegt (bei Buki war ein solcher Kontakt nachhaltig sehr blöde), sondern ein sozial klares Gegenüber hat. Es gab schlichtweg über geraume Zeit keinen unabgesprochenen zufälligen Hundespielkontakt. Bei mir völlig fremden Hunden blieb sie bei mir. Punkt. Keine Experimente an potentiellen Psychokrüppeln. Ich hab gerade in Roses erstem halben Lebensjahr mit Buki als hilfreichem Assistenten daran "gearbeitet", dass sie in sozial sicherer Umgebung lernt, Konflikte (vor allem die selbstproduzierten) zwar bis zu einem betimmten Grad selbst auszutragen, im sie zu sehr fordernden Konfliktfall dann aber auch zu mir zu kommen und Frauchen das machen zu lassen. Wir haben uns oft mit Bekannten und ihren (mir ebenfalls bekannten und klaren) Hunden getroffen, damit sie verschiedenste Hunde kennenlernt. Dabei war mir wichtig, dass sie selbst frei interagieren und Grenzen testen kann - aber bereits mit der Auswahl des jeweiligen Hundepartners habe ich ja schon gesteuert. Ich habe sie bestätigt, wenn sie einen aufdringlichen Rüden weggeknurrt hat und ich hab sie zur Raison gemahnt, wenn sie zickenmäßig rumgemobbt hat. Was ich erreichen wollte, habe ich erreicht. Rose braucht mich genaugenommen sozial gar nicht mehr, weil sie auf eigenen Beinen stehen kann und sehr selbstbewusst ist, dennoch orientiert sie sich sehr an mir. Ab und an ist sie etwas zickig, aber sie weiß ganz genau, was wann auch in die Hosen gehen kann und hütet sich, einen Ernstfall zu produzieren. Andererseits kann sie auch unglaublich geduldig sein und sehr feinfühlig und passend auf soziale Problemhunde reagieren.

Was mich im heutigen Normalalltag oft unglaublich annervt, sind die "der tut-nix-und-wurde-aus-einer-Tötungsstation-gerettet-und-wir-haben-uns-alle-lieb"-Besserhundehalter, die sich eigentlich noch nie mit dem Ausdrucksverhalten von Hunden beschäftigt haben. Nein. Wir haben uns nicht automatisch alle lieb. Weder die Hunde noch die Menschen. Das ist weder in Hundes noch in Menschens genetischem Code. Nein. Wir wollen nicht automatisch mit jedem spielen. Herrgott, wie sehr freue ich mich immer über andere Hundehalter, die noch Hunde sehen und die nicht automatisch die Erwartungshaltung der Friedefreudeeierkuchenwelt haben. Die nicht hohldrehen und das Ordnungsamt bemühen, nur weil sich die Hunde mal kurz anbrummen und dann sich gegenseitig ignorierend ihrer Wege gehen, ohne "soooo nett" zu "spielen" . Bei solchen Begegnungen darf Hund wenigstens noch Hund sein.

LG

Susanne