Ich halte von Rasse-Stereotypien überhaupt nichts. Anschauen muss man sich aber definitiv die Zucht, und da haben unsere RR als Modehunde seit einigen Jahren leider schlechte Karten. Werden bei der Zucht und während der ersten Lebenswochen wichtige Weichen nicht beachtet und gestellt, ist das ein Boden, auf dem viel Mist gedeihen kann und wird. Unwissenheit, Ignoranz, verfehlte Zielvorstellungen und Modeströmungen können eine Rasse buchstäblich kaputt machen, egal ob es sich dabei nun Richtung Qualzucht bewegt, und die Hunde beispielsweise Aggressionen entwickeln, weil sie buchstäblich behindert sind, oder nur auf Schönheit geachtet, und bei Rüden dann beispielsweise "Männlichkeit" in den Vordergrund gestellt wird: Alles hat IMMER Auswirkungen auch auf Verhalten.
Dagegen lässt sich nur bedingt antrainieren.
Wenn ich bei Rüden beispielsweise Virilität in den Vordergrund stelle, Motto: grösser, muskulöser, kräftiger, dann hat das nun einmal hormonelle Begleiterscheinungen, und gegen die kann ich anclickern, bis ich schwarz werde.
Dass es bei den RR viele Hunde gibt, die offenbar ein äussert sensibles Cortisolsystem haben, sollte Züchtern zu denken geben. Nur wissen die darüber oft nicht einmal im Ansatz etwas, und auch die Verbände helfen da nicht weiter. Mir stellen sich da schon Fragen wie beispielsweise die, ob es wirklich relevanter ist, dass ein Ridge (Schönheit) perfekt ist, während die Alltagsbelastbarkeit und Ausgeglichenheit eines Hundes (wohlgemerkt: damit meine ich nicht das antrainierte Verhalten im Ring!), sein Grundcharakter offenbar keine Rolle spielen.
Meine TÄ mag RR eigentlich nicht (mehr), weil sie laut eigener Aussage kaum noch auf Individuen der Rasse trifft, die nicht wahlweise vollpanisch oder aggressiv auf eine Behandlung, und sei es eine Routineimpfung, reagieren. Man kann das natürlich auf die Dissidenz und die "billig, billig" Mentalität der Halter, auf die Ignoranz vieler Hundemenschen schieben, aber ich denke, dass das nur Teil einer erheblich umfassenderern Problematik ist.
Meine Rüden waren und sind aggressiv im Sinne einer natürlichen, gesunden Aggression. Djambo hatte, wie ich heute weiss, ein extrem leicht erregbares Cortisol-System. Wir haben gelernt, damit umzugehen, und hatten so einen Rüden, der nie auffällig wurde. Beigetragen dazu hat sicher, dass wir als Newbies zum einen das riesige Glück hatten, mit ihm im Training bei Ute BB zu landen, zum anderen, dass unsere Lebensumstände - wir zogen mit ihm auf´s Land, als er zwei war - sehr viel dazu beitrugen, ihn zu entspannen. BamBam hat erfreulicherweise ein erheblich ausgeglicheneres Cortisol-System, was sich im Verhalten sehr deutlich zeigt, dafür aber eben andere "Erbschaften". Arbeiten muss ich mit beidem, und wenn ich keine Ahnung davon habe, muss ich es lernen. Diese Verantwortung wird vom Mensch, der seinen Hund begleitet, leider oft nicht übernommen.
Wenn nun also beide Faktoren aufeinander treffen - hoch erregbare Hunde mit nicht ganz unproblematischen rassetypischen Merkmalen (z.B. Thema Jagd/Beutemotivation, Herdenschutzhunde) einerseits, und wenig informierte, rasch überforderte oder gar wenig interessierte und motivierte Menschen andererseits, dann ist das eine problematische Mixtur.
Nein, ich finde nicht, dass RR Rüden aggressiver sind als Rüden anderer Rassen. Ich denke aber, dass die Rasse als solche derzeit unter sehr ungünstigen Bedingungen leidet - dem Weimaraner geht es in gewisser Weise ähnlich - und dass sich viele Menschen schlicht überfordern, wenn sie nur den "schönen" Hund sehen.


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