Zitat Zitat von Rosemarie Karsten Beitrag anzeigen
.. Nur eine kurze Anmerkung:

"Sind WIR als Hundehalter konfliktfreudig, dienen wir unserem Hund als Modell und er wird häufig aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso konfliktfreudig

Das unterschreibe ich daher nicht
Tja, Rosemarie - da kommen wir sicher nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Konfliktfreudig zu sein heisst nicht, herum zu prollen oder den Konflikt permanent zu suchen, sondern einen Konflikt, der angetragen wird, wahr- und differenziert annehmen zu können. Ich kenne keinen RR - und in bislang 15 Jahren mit der Rasse habe ich so einige erlebt - für den das NICHT zugetroffen hätte.

Ute BB äussert sich ganz ähnlich in ihrem Rasse Porträt, also nehme ich an, dass sie diese Beobachtung teilt, ebenso wie die Einschätzung, dass der RR aufgrund seiner Sensibilität zu den Hunden mit eher niedriger Reizschwelle zählt.

Sensibilität oder Sensitivität und "hohe Reizschwelle" schließen einander aus.

Sensibel bedeutet, dass der Hund auf geringe Veränderungen seines Umfeldes reagiert. Gerade bei plötzlich auftretenden Reizen zeigen viele Rhodesians, was es mit ihrer Ursprünglichkeit auf sich hat: Niedrige Reizschwellen und blitzschnelle Reaktionen, für die die Schrecksekunde des Menschen eindeutig zu lang ist.

Viele RRs haben eine ausgesprochen große Wahrnehmungsdistanz. Das bedeutet, sie reagieren auf Reize wie Bewegung, Geruch und Geräusch bereits in großer Distanz. Haben Hund und Mensch den Überblick, dann können die meisten Hunde ihre Reaktion auf die Wahrnehmung kontrollieren, die langsame Annäherung hilft ihnen dabei. Erscheint aber in unübersichtlichem Gelände ein Reiz inmitten der Wahrnehmungsdistanz, so zeigen manche Rhodesians, wie impulsiv und blitzschnell sie sein können.

Mut ist nichts anderes als die Bereitschaft, Konflikte auszutragen. Wobei der mutige Hund erst einmal seine eigenen Konflikte austrägt. Interessanterweise hoffen viele Hundebesitzer, dass ihr Hund erst dann mutig wird, wenn es aus menschlicher Sicht angebracht ist. Diese Sicht aber kann kein Hund teilen, auch kein Rhodesian. Das bedeutet, dass er in erster Linie auf Konflikte in der Hundewelt eingeht.

Quelle Easy Dogs / Rasseportrait Rhodesian Ridgeback, Dr. Ute Blaschke-Berthold

Konflikte gehören zu Beziehungen. Die Fähigkeit, diese annehmen und konstruktiv austragen zu können, macht Beziehungen erst tragfähig. Eine gute Harmonie kann nur dort wachsen, wo Konflikt sein darf, oder, anders ausgedrückt: Ein Konflikt ist immer auch Ausdruck von Wertschätzung: Du bist es mir wert, mich mit Dir auseinander_zu_setzen.

Ohne Konflikt keine Nähe - wer sich reiben kann, ist sich auch nahe. Je sensibler ein Individuum ist, desto eher nimmt es auch Konfliktpotential wahr.

RRs tragen nicht nur Artgenossen, sondern auch ihren Menschen im Alltag Konflikte an, und es kommt u.a. darauf an, wie wir diese Konflikte lösen, ob sie sich uns dann auch anvertrauen oder nicht. Vertrauen ensteht da, wo ich erfahren kann: Auch wenn wir gerade keine deckungsgleichen Ziele, Motivationen, Vorstellungen haben, kann ich mich auf Dich verlassen, mit mir einen Weg zu finden, der mich begrenzen kann, ohne meine Bedürfnisse zu negieren, ohne Gewalt anwenden zu müssen, oder die Beziehung an sich in Frage zu stellen.

Für den menschlichen Begleiter bedeutet dies, dass er viel Aufmerksamkeit aufbringen muss, eben um besagten Überblick möglichst oft zu gewinnen - das ist das, was für mich ein Element guter Führung ausmacht, denn es ermöglicht dem Hund, sich zu entspannen und Aufgaben, die, nähme der Hund sie wahr, für erheblichen Zündstoff im gesellschaftlichen Miteinander sorgen können, an seinen Menschen zu delegieren.

Das wirkt sich u.a. eben auch auf Konflikte aus. Der Pöbler beispielsweise muss lernen zu differenzieren, ebenso wie der aufgeplüschelte Dackel. Das kann nur funzen, wenn ich selbst ein gutes Konfliktmanagement betreibe = konfliktfreudig bin. Freudig meint hier nämlich gerade nicht: Krawallschachtel, sondern: die Konflikte, die es wert sind, werden vernünftig ausgetragen.

In diesen Kontext, und da schliesst sich der Kreis, fällt auch das Thema Schutz. Wenn ich mir wünsche, dass mein Hund mich oder mein Grundstück schützt, dann übertrage ich ihm Verantwortung für einen Konflikt, den ich allein glaube nicht bewältigen zu können. Mutig = konfliktfreudig soll Hund sein - aber bitte nur dann, wenn es Mensch in den Kram passt. Eine durchaus problemträchtige Sache.

Was für Heins "Häckmäck", ist für mich im übrigen ein bisweilen durchaus interessanter Diskurs.