Früher oder später hat jeder seine eigenen Beißvorfall.
In Tashis Welpenspielstunden und späteren Erziehungskursen wurde uns nahegelegt, möglichst nur abgeleinte Begegnungen mit uns bekannten und gut sozialisierten Hunden zuzulassen. Zumindest die ersten 12-18 Monate.
Theoretisch klappt das ganz gut.
Praktisch leider weniger.
Tashi ist jetzt 17 Monate alt und wurde in dieser Zeit dreimal gebissen. Zugegebenermaßen von mir nicht bekannten und leider weniger gut sozialisierten Hunden. In sofern stimmt die Regel.
Nur was macht man, wenn man selber das Begegnungsmanagement mit fremden Hunden professionell und ohne Panik oder Hektik durchführt, die Hunde sich begegnen, Tashi dabei absitzen muss und überhaupt keinen Stress macht.
Man passiert sich, entfernt sich, der andere Hundehalter löst sein(e) Hund(e) von der Leine und die kommen mit einem Affenzahn zurückgeschossen und greifen ohne Vorwarnung von hinten an.
Das war jetzt nur ein Beißvorfall von drei verschiedenen.
Sicher ist es sehr unwahrscheinlich, dass der eigene Hund von einem rassegleichen und dennoch (eher) unbekannten Hund angegriffen und verletzt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies durch einen rassefremden Hund passiert, ist bei normaler Verteilung sehr viel höher. Daraus jetzt am Einzelfall abzuleiten, dass RRs in höheres Gefährungsmoment in "unerfahrenen" Hundehalterhänden haben als andere Rassen bzw. Mischungen, halte ich doch für sehr gewagt bzw. konstruiert.
Ich denke, dass dennoch einfach mehr Aufklärung seitens der Zuchtvereine, der seriösen Züchter (den anderen ist alles andere außer dem finanziellen Aspekt eh egal) und der RR-Halter (z.B. über dieses Forum) gegenüber Interessenten und Kaufwilligen vorgenommen werden muss.
Wir waren gestern wieder bei unserem mtl. Kenneltreffen. Insgesamt waren 12 RR (4R/8H) dabei. Als wir die Veranstaltung aufgelöst haben und zu unseren Fahrzeugen gingen, die Hunde säuberten, wurde ich von einem Wanderpäärchen angesprochen, was das denn für Hunde seien. Nach kurzer Erklärung folgte die nächste Frage, wie ich denn die Hunde charakterisieren würde und ob sie als Familienhunde gehalten werden könnten.
Nach einer kurzen Charakterisierung (ruhig, Fremden gegenüber zurückhaltend ...) und der Qualifizierung als Familienhund folgte von mir aber das große ABER:
- Es sind und bleiben Jagdhunde, d.h. die jagdliche Ambition ist latent vorhanden und prägt sich beim einzelnen Hund weniger bis hin sehr viel stärker aus.
- Sie sind ausgewachsen groß und stark sowie Laufhunde, die ihre täglichen Bewegungseinheiten brauchen.
- Sie sind Spätentwickler, intelligent, wollen gefordert und gefördert werden und erwarten einen 100%igen Familienanschluss im Haus.
Es sind die idealen Familienhunde für Menschen, die sich jeden Tag viel und ausreichend mit ihrem Hund beschäftigen wollen. Es sind eben keine "Nur dabei"-Hunde (gibt es die überhaupt?) sondern "Mittendrin"-Hunde.
Wer diese Management leisten kann und will, wird in den RRs den idealen Familienhund finden.
Wer dies durch andere Prioritätensetzung nicht kann bzw. will, sollte besser eine andere Rasse wählen bzw. ernsthaft sich damit auseinandersetzen, ob ein Hund wirklich der richtige Familienzuwachs ist.
Anhand der Reaktion sah ich, dass trotz des Eindruckes, den die RRs in der Gruppe hinterlassen hatten, dieses Ehepaar sich gerade von der Vorstellung eines RR-Familienhundes verabschiedet hatte.
Vielleicht sollte man daher bei Interessenten, die hier im Froum die obligatorische "Sind wir RR-geeignet?"-Frage stellen, weniger auf die Lebensumstände der Fragesteller eingehen, sondern von der eigenen Entwicklung zum RR-Halter erzählen.
Also, wie fand ich den geeigneten seriösen Züchter, wie habe ich mich wissensmäßig vorbereitet, wie waren die ersten Wochen, Monate, Jahre, was machen wir so den lieben langen Tag, in der Woche etc. welche Kosten habe ich inkl. (KV)-Versicherung, welche Ausbildung durchlaufen wir, wie viel Zeit "kostet" das mich, welche Entwicklungen waren nicht optimal und haben von mir als Halter ein erhöhtes Management gefordert, was würde ich wieder so machen, was würde ich ändern und, und, und ...
Diese Art der indirekten Beantwortung würden zumindest weniger persönlich werden und Trotzreaktionen verringern.
Ich glaube, dass gerade beim RR die einfachen Wochen und Monate als Welpe/Junghund den unerfahrenen RR-Halter in eine falsche Sicherheit wiegen und für negative Entwicklungen desensibilisieren. Wie oft lesen wir, dass die Zwerge perfekt hören und gehorchen. Später lesen wir dann von den Wunderhunden weniger, da sich durch reale Ablenkungen die Prioritäten des Hundes verschoben haben. Und wenn dann die Geschlechtsreife und die anschließenden Monate kommen, die ein erhöhtes Management erfordern, werden durch Unwissenheit und Fehler negative Verhalten manifestiert, die dann zu einer Unverträglichkeit führen.
Die meisten Halter (RR-unabhängig) haben bezogen auf das gesamte Hundeleben einfach keinen Bock, tägliches Management zu betreiben. Da geht man mit seinem Hund, leint ihn ab und überläßt ihn sich selbst, während man sich dann voll dem eigenen Smartphone widmet.
So vorgestern auf unserem RR-Kenneltreffen bei einer jungen Hundehalterin (Mitte Zwanzig) gesehen.
Da frage ich mich, warum gehe ich überhaupt zu einem solchen Treffen?
Wer seine Prioritäten so gewichtet, der sollte sich besser keinen Hund, aber wohl auch besser kein anderes Lebewesen zu sich in "seine" Familie holen.
VG Martin


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